In einem Unternehmen entstehen immer wieder Ideen und Anregungen seitens der Anwender oder seitens der Geschäftsführung, mit Wünschen Anpassungen und Erweiterungen, um die tägliche Arbeit zu vereinfachen. Sofern ein zentrales ERP eingesetzt wird, ist das natürlich jene Plattform, wo die Umsetzung angedacht wird.
Für manche Anforderungen wird es schon ein fertiges Modul seitens des ERP Herstellers geben. Dieses muss dann nur mehr lizensiert und konfiguriert werden.
Nehmen wir den anderen Fall an, das passende Modul gibt es noch nicht fertig vom Hersteller. Dann ist der erste Weg eben dorthin mit der Frage nach einer Aufwandsschätzung. Dieser Fall hält schon etwas mehr Spannung bereit. Jeder IT-Manager weiß, dass die erste Aufwandsschätzung oftmals nicht alle Eventualitäten und Kosten abdeckt. Oft ergeben sich noch weitere Systeme, die in Folge aktualisiert werden müssen oder es wird vielleicht eine neue Hardware / Virtualisierung notwendig.
Nicht alle Funktionen sind in einem ERP gut aufgehoben
Nicht für alle Funktionen ist das ERP die optimale Umgebung zur Umsetzung. Nehmen wir folgende Anforderungen an:
- Spezielle Werkstoffberechnungen mit komplexen Berechnungsformeln
- Zeiterfassung für mobile User
- Semiautomatisierte Rechnungskontrolle über einen E-Mail-Import
- …
Jede Zusatzfunktion, die als kundenspezifische Ergänzung ins ERP integriert wird, muss vom meist vom Hersteller umgesetzt werden. Diese Zusatzfunktionen sind damit nur in genau diesem ERP System verfügbar. Bei einem Systemwechsel müssen die Funktionen wieder neu implementiert werden.
Abhilfe: Funktionen in Ihrer individuellen Unternehmens-Software bereitstellen
Wenn Sie nicht wegen jeder Kleinigkeit Ihren ERP-Anbieter bemühen wollen, kann auch der Weg einer eigenen (Web-) Plattform angedacht werden. Dabei kann das ERP System bestimmte Daten bereitstellen, die im Web angezeigt oder auch bearbeitbar gemacht werden. Jetzt soll es nicht das Ziel sein, alle ERP Funktionen nochmals nach zu programmieren. Die Basisfunktionen eines ERP Systems sollen auch dortbleiben. Nur jene speziellen Anforderungen, die nicht unbedingt im ERP System sein müssen, werden auf eine Webplattform gelegt.
Der Ansatz einer externen WebERP Anwendung hat auf den ersten Blick möglicherweise etwas von „Verdopplung“ der IT-Systeme, ist aber auf den zweiten Blick eine Überlegung wert. Eine Webplattform stellt sich bei den folgenden Punkten als überlegen im Vergleich zu einem ERP-System dar:
- Schnelles Rollout: vielleicht kennen Sie die Situation, auf eine Ergänzung vom ERP-Hersteller wartet man oft eine längere Zeit. Eine selbst oder von einem flexiblen Partner entwickelte Webanwendung hat meist kürzere Rolloutzeiten.
- Flexibler ohne ERP-Hersteller: ein ERP-Hersteller möchte tendenziell nur jene Module ergänzen, die möglichst auch für andere Situationen und Kunden einsetzbar sind. Wenn Ihre Anforderungen dann nicht unbedingt zu den präferierten Funktionen Ihres Herstellers zählen, ist das suboptimal.
- Komplexe Funktionen / Berechnungen: z.B. eine spezielle Kalkulation einer Werkstoffmischung auf Basis von Atomgewichten. Diese hängt vielleicht von einer Vielzahl an Parametern ab. Die Programmierung der Berechnung passt inhaltlich eigentlich nicht ins ERP System. Die Umsetzung auf einer Webplattform ist die geeignete Umgebung dafür. Noch dazu kann die Kalkulation für Interessenten als do it yourself Preisberechnung freigeschaltet werden.
- Mobile Anbindung einfacher umsetzbar: nicht alle ERP-Systeme sind für mobile Geräte optimiert. Oftmals sind weniger Funktionen auf den mobilen Geräten als auf dem Desktop verfügbar. Oder es muss ein eigenes Webportal dafür ergänzt und freigeschaltet werden. Das WebERP wird, wie der Name schon sagt, von Beginn an auf den Einsatz auf mobilen Geräten zugeschnitten.
Teure ERP Lizenzen und Wartungskosten sparen
Ganz abgesehen von den oben genannten Vorteilen entsteht noch der Pluspunkt der eingesparten ERP Lizenzen. Normalerweise muss jeder Concurrent User, bei manchen Systemen sogar jeder benannte User, mit einer eigenen Lizenz versorgt werden. Damit ergibt sich ein finanzieller Rahmen, der in etwa beim Einsatz eines ERP Moduls für die gewünschte Funktion notwendig wäre.
Je nach Hersteller könnten dann bei mehr lizenzierten Modulen auch die Wartungskosten steigen. Kalkulieren Sie doch mal die Lizenzen plus der Wartung, die Sie für die notwendigen Ergänzungen in 3 Jahren auf den Tisch legen müssten. Dann noch dazu eventuelle Entwicklungs- oder Customizingkosten. In den meisten Fällen wird hier ein Betrag im 5-stelligen Bereich herauskommen.
Anzahl User x Lizenzkosten + Wartung + Entwicklungskosten
In vielen Fällen lassen sich mit einer maßgeschneiderten Lösung auf einer Webplattform hier erheblich Kosten sparen. Die Webanwendung kann mit modernen UI Frameworks (z.B. Bootstrap, REACT, usw.) bereits bei der Entwicklung für den Desktop als auch für mobile Geräte optimiert werden. So kann das UI ohne redundanten Source Code umgesetzt werden. Aktuelle UI Frameworks bringen diese Funktionen im Regelfall mit.
Die eigentliche Business Logic wird, egal für welches UI, wird nur einmal in der Controller-Schicht der Anwendung implementiert. Hier steckt dann auch der Zugriff auf das ERP System selbst drinnen.
IT-Systeme über Schnittstellen anbinden
Die meisten IT-Systeme bieten für den Zugriff eine oder manchmal auch mehrere Schnittstellentechnologien an. Diese Technologien könnte sein: ein Web Service mit REST / JSON oder XML, ein proprietäres API in Form einer DLL oder in manchen Fällen auch eine eigene Scriptsprache.
Falls keine Schnittstelle in Form einer API vorhanden ist, könnte es eine automatisierte Import / Export Funktion über eine Tabelle in der Datenbank lösen. Die Daten werden darin meistens in einer Key/Value Kombination abgelegt. Eine interne Routine des Zielsystems verarbeitet die Datensätze und gibt eine Rückmeldung über den Status und Fehler der Verarbeitung (Hinweis: auch der Einsatz der Schnittstellen kann bei Systemen mit Lizenzkosten verbunden sein und sollte im konkreten Fall genau geprüft werden!).
Nur in Ausnahmefällen sollte diese direkte Anbindung über die Tabellen in der Datenbank angedacht werden. Während Lesezugriffe z.B. für die Anzeige einer Liste noch vertretbar sind, so wird es problematisch mit Schreibzugriffen. Da bei direkten Schreibzugriffen die internen Routinen des Zielsystems vollständig übergangen werden, könnten fehlerhafte oder unvollständige Daten geschrieben werden. In manchen Situationen mag sich dieser Zugriffsweg vielleicht als der einzige mögliche Weg herausstellen, falls aber nicht unbedingt notwendig, sollte davon eher abgesehen werden.
Fazit
Eine individuelle Unternehmens-Software Anwendung ist für viele Aufgabenstellung aus Kostengründen und aus Gründen der Flexibilität durchaus angebracht und eine Überlegung wert. Nicht alle Features und Funktionen sind z.B. in einem ERP-System gut aufgehoben und sollten schon aus diesem Aspekt auf einer eigenen Plattform umgesetzt werden. ERP Systeme sollen damit auf keinen Fall umgangen oder abgewertet werden. ERP Systeme haben ihre Berechtigung. Für manche Aufgabenstellungen sind sie allerdings schlicht ungeeignet.